Zurück in Camphill – Die Milch macht’s!

Von Januar bis März 2018 war unser Berater auf Zeit Richard in Camphill West/Südafrika und hat dort in einem Community Projekt unterstützt.

 

Teil 2 von 3:
Zurück in Camphill – Die Milch macht’s!

Zurück in Camphill kümmere ich mich verstärkt um die Molkerei, welche als Arbeitspferd sowohl das Camp versorgt, als auch regionale Supermärkte mit Milch, Joghurt und Käse beliefert. Mit Gerard hat dort seit diesem Jahr ein hervorragender Käser mit einigen Auszeichnungen das Ruder übernommen und hat sich die Perfektionierung der Käsesorten Gauda und Cheddar zum Ziel gesetzt, um durch die höhere Qualität bessere Preise zu erzielen und den Kunden das Potenzial der natürlichen Milchwirtschaft erlebbar zu machen. Er erklärt mir die Produktionsverfahren von Joghurt, Käse, Quark, Sahne und Feta. Außerdem dabei sind noch zwei Volontäre und je nach Tagesverfassung fünf bis sechs Bewohner, die jeden Tag bis zu 300 Liter Milch verarbeiten. Und das nur im trockenen Sommer, den im grünen Winter verdoppelt sich die Menge. Das ist insofern erstaunlich, dass alles mit Hand bewegt und verarbeitet wird. Für mich, der mit anpackt, bei 30-35 Grad am Tag eine schweißtreibende Arbeit.

In den ersten Wochen verschaffe ich mir einen Überblick über die Prozesse des Molkereibetriebs und komme damit vollständig in der afrikanischen Arbeitsmentalität an. Spätestens hier verabschiede ich mich von allen Selbstverständlichkeiten unserer Arbeitskultur. Niedergeschriebene Prozesse oder Anweisungen gibt es keine, jeder weiß nur genau das was er tut. Auskünfte sind schwierig zu bekommen, da sich aus Angst Fehler zu machen keiner aus der Deckung traut. Dazu kommt noch ein unglaublich bürokratisches Dickicht in den Bereichen der Logistik, Beschaffung und HR von Seiten des Managements um im Chaos die Kontrolle zu behalten. Akten und Archivierung sind überbewertet, Papiere werden wahllos und unsortiert in Schreibtische gesteckt, bis diese voll sind. Ich falle vom Glauben und komme aus Aha-Erlebnissen gar nicht mehr heraus.

Mir dämmert in den ersten Tagen ausgiebigen Wissensaustauschs: Ordnung ist eine Ausnahme, das hier ist die Regel. Meine Gastgeberin meint dazu lakonisch, „this is Africa“. Was hätte ich denn sonst erwarten sollen? Frei von Vorurteilen – Recht hat sie! Dieses Land hat sowohl eine andere Zeitrechnung, als auch einen anderen Anspruch an Arbeit an sich. Was mich daran jedoch wirklich bestürzt, ist die Tatsache, dass ich mich daran hervorragend anpasse. In den ersten Tagen staune ich noch, wie man im Camp auf nur vier Stunden Arbeitszeit pro Tag kommt und dabei meint, dass ordentlich was geleistet wurde. Zum Schluss erscheinen mir zwei Stunden Mittagspause und die einstündige Frühstückspause schon etwas knapp bemessen. Zudem werde ich mit zwei Grundprinzipien vertraut gemacht. Das Prinzip „Was du heute nicht kannst besorgen, dass schieb gern nach morgen“ ist mir bereits bekannt. Aber das Prinzip „We need to adress this in a meeting“ ist noch besser: Ein Problem wird einfach weitergeschoben, bis sich niemand mehr zuständig fühlt oder es zu komplex wird.

Man mag sich fragen, wie trotz all der Umstände Dinge geschehen. Meine Erklärung ist der unglaubliche persönliche Einsatz sowie die hohe Motivation und Leidenschaft aller Bewohner und Mitarbeiter. Trotz das es an allen Ecken fehlt und immer etwas knapp ist, versuchen alle ihr Bestes. Da werden Löcher schon mal mit Klebeband versiegelt und Geräte mit Nägeln und Holzbrettern repariert. Dennoch herrscht generell eine entspannte und angenehme Arbeitsatmosphäre. Durch solche Kleinigkeiten lässt sich außer mir keiner aus der Ruhe bringen. Das Improvisationstalent behandelt Probleme einerseits schnell und unkompliziert, aber es fördert die von-Tag-zu-Tag-leben Mentalität und große Entscheidungen und Veränderungen werden aufgeschoben.