Haraka haraka, haina baraka

Ich kann es kaum glauben, dass die Zeit so schnell vergeht. Mein letzter Blog-Eintrag ist schon eine ganze Weile her, die Zeit rast nur so und wenn ich nach vorne blicke…so sind es nur noch 3,5 Wochen, bis ich Tanzania wieder verlassen muss…und meine to-do-Liste aber irgendwie mehr zu- als abnimmt.

Die letzten Wochen waren randvoll. Mein Tag könnte in der Tat mehr als 24h-Tag haben. Haraka haraka, haina baraka – oder No hurry in Africa führen dann dazu, dass das Blog-Schreiben eher in den Hintergrund rückt und ich lieber mal kleine Lebenszeichen in Facebook poste.

 

Kleine Fluchten
Schon 2009 und 2010 war Zanzibar meine kleine Flucht. Nur 1,45 h mit der schnellen Azam-Fähre entfernt liegt die Trauminsel Ungunja, die fälschlicherweise immer als Zanzibar bezeichnet wird. Dabei ist Zanzibar eigentlich der Name des Archipels bestehend aus Ungunja, Pemba, den Latham-Inseln und geographisch gesehen auch Mafia.

Es ist eine andere Welt. Stone-Town mit seinen kleinen, verschlungenen Gassen, den tollen geschnitzten Holztüren und dann die Strände…Ja, die habe ich hier auch vor der Türe…dennoch ist das Wasser dort sauberer, wärmer und von einem unglaublichen blau-grün und man ist einfach weg aus Dar, weg von den Projekten. Um mal was anderes zu machen, hat es mich dieses Mal nach Paje verschlagen, das Paradies für Kitesurfer. Nett, aber nach nur einer Nacht habe ich beschlossen, dass man ein winning system nicht ändern soll und bin dann doch wieder nach Sunset Kendwa. 3 Tage dort, 2 wunderschöne Tauchgänge (bei 30 Grad Wassertemperatur springe sogar ich mit einem Shorty ins Wasser) und der Akku ist wieder aufgeladen.
Auszeit von der Auszeit bzw. vom Projekteinsatz nenne ich das dann auch ;-)

Kurz vor der Heimreise habe ich dann noch unseren Kindergarten in Mwera besucht und nicht schlecht gestaunt, was Pfarrer Siwelwe da so auf die Beine gestellt hat.

 

Die Deutsche Delegation
Pünktlich zu meinem Geburtstag kamen dann auch Fred, Bettina und Linda von der Herrnhuter Missionshilfe aus Deutschland. Wer meinen Blog aus 2009/2010 gelesen hat, der weiß, dass Fred mein Soundboard war und für das Projektteam auch immer das Zauberwort. Für ihn war es die Abschiedstour und für Bettina und Linda, die ich kurzerhand nun zu meinen neuen Soundboards ernannt habe, die Kennenlerntour.

Samstag gab es ein großes Meeting mit meinem OVC-Team und anschliessend haben wir mit einigen der Patenkinder und ihren Vormündern zu Mittag gegessen. In 43 Jahren habe ich das erste Mal an meinem Geburtstag gearbeitet. Dennoch war es ein toller Geburtstag, mit dankbaren Vormündern, lachenden Patenkindern und am Abend einer tollen Band in einem der lokalen Pubs.

Montag standen homevisits auf dem Plan und ab Dienstag haben wir einige hundert km per Minibus von Dar-es-Salaam über Ifakara, Iringa, Mbeya, Subawanga, zurück nach Mbeya gerissen und dann ging es für mich mit dem Flugzeug zurück nach Dar-es-Salaam. Eine lange Reise, schlechte Strassen, aber eine gute Gelegenheit um meine neuen Ansprechpartnerin in Deutschland kennen zu lernen und um neben meinen eigenen Projekten auch einige weitere Projekte der HMH zu besuchen.

 

Projektarbeit
In den Projekten läuft es zäh. Pläne sind da, um über den Haufen geworfen zu werden, insbesondere weil ständig unbekannte Faktoren auftauchen, die alles zunichte machen. Kurzfristig angesetzte Meetings der Pfarrer, Malaria, Krankheit oder Tod von Angehörigen, Verkehrschaos, Eheprobleme, Unverständnis, kein Strom etc.

Ich werde immer wieder vor die Zerreißprobe gestellt, war diese Woche auch schon einmal kurz vor dem Aufgeben. Nein, natürlich gebe ich nicht auf. Ich wünsche mir nur, dass ein paar Projektverantwortliche nicht nur den eigenen Benefit (im Sinne von Gehalt) sehen, sondern verstehen, dass das Projekt zum Wohl der Kinder ist. Auch kämpfe ich immer wieder mit der Tatsache, dass man glaubt, dass der Geldstrom aus Deutschland unerschöpflich ist und man selbst nichts dazu tun muss. Naja, ich bzw. wir machen das Beste daraus.

Es gibt aber auch Positives zu vermelden…
Mittlerweile haben wir im OVC-Projekt 103 der bis dato 200 Kinder für die zweite Projektphase registriert. Sie gehen nun mit unserer Unterstützung auf die Sekundarschule und am nächsten Samstag – so der Plan – haben wir eine große Verteilaktion. Von einigen Kindern wissen wir leider nicht, wo sie verblieben sind. Hört sich für deutsche Verhältnisse komisch an. Für tanzanische Verhältnisse ist es aber ganz normal, dass Kinder aufgrund ihrer aktuellen Situation mal eben von der Tante in Dar zur Oma nach Moshi transferiert werden oder, dass wenn Kinder nicht in die Sekundarschule zugelassen wurden, keiner weiß wo sie jetzt sind.

Moses, der Projektleiter der Nursery School hat den Report für Februar komplett alleine erstellt. Könnt ihr euch vorstellen, wie stolz ich bin?

Und in Ifakara geht es polepole voran und wir lassen uns bzgl. ständig neuer und härterer Regularien für Privatschulen nicht unterkriegen.

 

Und sonst so…?

  • Nach ewiger Zeit konnte ich Mary lokalisieren. Sie wird von einem kleinen deutschen Verein unterstützt und kann mit deren Hilfe ein College besuchen. Sprachbarrieren haben dazu geführt, dass die Unterstützung fast abgebrochen wäre. Aber wir sind wieder back on track!
  • Mit der Unterstützung von Paul, einem Ex-Berater auf Zeit konnte ich Osman letzte Woche ein Fahrrad kaufen. Osman wird ab sofort das College besuchen und anstatt jeden Tag Geld in Bustickets zu investieren, ist er nun stolzer Besitzer eines Bob Marley Bikes. Vielen Dank nochmal Paul!
  • Novität im Massai-Dorf!!! Letzten Samstag haben wir in der Tat wohl zum ersten Mal Skype ins Massai-Dorf von Mariki gebracht. Kein Wasser und kein Strom vor Ort. Aber die Masten der Mobilfunkanbieter haben es möglich gemacht zu skypen. Ich weiß nicht, wo die Freude größer war: bei Susi und mir oder im Massai-Dorf.
  • Ende nächster Woche kommt Norbert zu Besuch. Nach seinem 6-monatigen Einsatz als Berater auf Zeit am anderen Ende der Welt in Neuseeland schließt er sein Sabbatical nun hier bei mir in Tanzania ab. Das wird ein krasser Gegensatz sein…aber vielleicht verliebt er sich ja auch in Tanzania ;-)
  • …und ich habe mir zu Ostern eine neue Sim-Card geschenkt! Tigo 4G…wow! Was ist das Netz jetzt hier schnell!

Ich wünsche euch allen ein wunderschönes Osterfest und ein paar entspannte und erholsame Feiertage!

Erster Monat in Mabopane, Pretoria, Südafrika als Volunteer

Ich bin jetzt ziemlich genau einen Monat in Pretoria, Südafrika. Mein Alltag ist geprägt von Gegensätzen.

Ich wohne in einem luxuriösen Guesthouse in Brooklyn, eine reiche Wohngegend von Pretoria, mit ca. 15 anderen Gästen, alle so zwischen 20-32, mehrheitlich Europäer und Südafrikaner. Die Atmosphäre im Guesthouse ist extrem familiär. Man kocht zusammen, unternimmt Weekend-Trips, geht aus in die vielen Restaurants, Clubs und Bars oder geniesst die Zeit am Swimmingpool. Die Umgebung lässt sich m. E. mit Kalifornien vergleichen: Es ist herrlich warm, blauer Himmel, die Sonne scheint. In der nahen Umgebung hat es alles, was das Herz begehrt: Ein modernes Einkaufszentrum, viele Restaurants und Bars, ein Sportplatz mit Bootcamp (4 mal die Woche), ein Autoverleih, Jogging Gelegenheiten und dergleichen mehr. Es ist sicher und für Schweizer / Deutschland Verhältnisse günstig (Ich habe 1250 Euro pro Monat inkl. Miete gebraucht).

Arbeiten tue ich bei einem NGO mit Namen Lesedi La Batho. Wir verfügen über zwei Lokalitäten: Das Büro befindet sich in günstigen Räumlichkeiten eines Rugbystadions ca. 30 min zu Fuss vom Guesthouse oder 5 min mit dem Auto in einer sehr sicheren Gegend. Dort verfüge ich über einen Labtop und teile das Büro mit Chrisna, unserer Chefin, Ronel, unserer Buchhalterin, Loren, unserer Administratorin und ca. 4 weiteren Personen von einem anderen NGO. Unsere Infrastruktur ist top und der Büroalltag gestaltet sich ähnlich wie in der Schweiz oder Deutschland. Die zweite Lokalität befindet sich in Mabopane ca. 45 min mit dem Auto im Nordwesten von Pretoria. Dort verfügt Lesedi La Batho über ein Community Center inmitten eines „Townships“. Die Gegend dort ist signifikant ärmer als diejenige in Brooklyn. Die Aktivitäten unseres NGOs und damit diejenigen unseres Community Centers, zielen auf die Verbesserung der Lebensumstände der in dieser Gegend wohnenden Bevölkerung ab. Leider ist diese Gegend zurzeit geprägt von Armut, HIV, Arbeitslosigkeit und schlechten Schulen, was die Bevölkerung leider zu Kinderschwangerschaften, Drogenkonsum, Kriminalität und dergleichen Schrecklichem mehr verleitet.

Meine Aufgabe bei Lesedi ist die Strukturierung und Optimierung aller operativen Aktivitäten im Community Center. Diese lassen sich in drei Bereiche gliedern:

Im Center werden lokale Personen während eines drei monatigen Ausbildungsprogamms in den Bereichen Kindererziehung, Nähen, Computeranwendung, Schmuckherstellung, Backen und „Life Skills“ ausgebildet und erhalten danach ein Zertifikat, welches es ihnen erleichtern sollte einen Job zu finden. Unser internes Jobberatungsbüro unterstützt sie dabei.

Der zweite Bereich besteht aus 14 sogenannten Social Auxillary Workers. Diese schwärmen tagtäglich zu 9 High- und 4 Primary- Schools aus und schulen / beraten Schüler in den Bereichen HIV, Gewalt, Menschenrechte, Drogenkonsum, Life skills und dergleichen mehr. Diese vollziehen auch sogennante „Home visits“ wobei es sich dabei um Hausbesuche handelt um sozial benachteiligte Individuen zu identifizieren und zu unterstützen: entweder mit den Leistungen des Community Centers oder mittels Empfehlungen zu Kliniken, Schulen, Polizei oder schlichtweg mit dem Vorbeibringen von Food Parcels.

Beim dritten Bereich handelt es isch um „Social Enterprises“. Diese sind eine Art Kleinunternehmungen, welche von Absolventen des Ausbildungsprogramms gegründet wurden und nun geführt werden. Zurzeit produzieren diese Kleinunternehmen eine Vielzahl von Produkten: Teddybären für eine Firma aus Cape Town, Schuluniformen für lokalen Schulen, Tragtaschen und ab und zu Schmuckstücke. Auch hat es ein „Child Care Center“ für zurzeit 60 Kinder von „Teenage Mothers“ welches sich über Tag um Kleinkinder kümmert, damit die Mütter in die Schule gehen können.

Meines Erachtens funktionieren viele Aktivitäten gut. Es gibt aber einige Bereiche, welche noch verbessert werden können. Unser Fokus für die nächsten Monate liegt im Ausbau der „Reporting“ Aktivitäten, im weiteren Empowern des 5 köpfigen Management-Teams vor Ort im Center, in der Erweiterung der Infrastrktur und in der stärkeren Abkoppelung der „Social Enterprises“  damit diese unabhängig von Spenden werden. Auch scheint das Potential der Social Auxillary Workers noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft. Vergangene Woche haben wir erste Akzente setzen können. Meine Ideen werden von den total 42 Mitarbeiter kritisch aber sehr wohlwollend angenommen und dann weiterentwickelt.

Es herrscht ein sehr offenes und angehenmes Betriebsklima. Viele der Mitarbeiter sind sehr interessiert und auch dankbar, dass man versucht ihnen und damit indirekt den vielen Hilfsbedürftigen zu helfen. Die Motivation ist also hoch und ich hoffe, dass ich beim nächsten Update bereits erste Erfolgsstories berichten kann…